Annotation |
Die Stühle in der Wohnung der Großmutter haben geschnitzte Lehnen, die an Löwenköpfe mit mächtigen Mähnen und drohenden Mäulern erinnern. Das Kind wagt sie kaum zu berühren. Wie Totemtiere voll magischer Kraft begleiten diese hölzernen Löwen eine Südtiroler Familie durch die Generationen. Deren wechselvolle Geschichte erfährt das Kind nach und nach aus den Erzählungen der Großmutter. Im Mittelpunkt steht der bereits verstorbene Großvater. Der Bauernsohn zieht 1914 für den österreichischen Kaiser in den Krieg. Sein Glück ist, daß ihn die Russen schon bald gefangen nehmen. Auf einem ukrainischen Landgut, dem er als Zwangsarbeiter zugeteilt worden ist, ereilt ihn die Oktoberrevolution. In der allgemeinen Verwirrung gelingt ihm die Flucht zurück nach Südtirol. Doch der Heimkehrer ist ein anderer Mensch geworden: "Kriegskrank ist wie seekrank, nur daß kriegskrank nicht mehr vergeht." Wofür hat er in Rußland gekämpft? Für die Heimat, wie ihm die politischen Parolen weismachen wollten? Die Großmutter zieht ihr eigenes Resümee: "Für uns Bauersleute ist die Heimat das Hoamatl, merk dir das, Kind... Es ist das Dach überm Kopf, der Wind im Korn, die Wiese zum Draufsitzen, die Menschen, die sich untereinander mögen, die derselben Arbeit nachgehen, dieselben Sorgen haben." Das klingt fast idyllisch, doch der Schein trügt. 1939 optieren die Südtiroler, deren Land mittlerweile zu Italien gehört, mehrheitlich für Nazideutschland und erklären sich bereit, ihre Heimat zu verlassen. Wie schon ihn ihrem ersten Roman "Schnittbögen" schildert die Südtirolerin Helene Flöss die Geschichte ihres Landes aus dem Blickwinkel der kleinen Leute, die um ihre Existenz kämpfen. Ihr neues Buch ist aber auch eine berührende Erzählung von einer Liebe, die sich gegen alle Widrigkeiten behauptet. *LitFo* Renate Langer |